1. Ich darf das leben, was ich bin; echt, ehrlich, authentisch“, … Der heutige Mensch hält wieder Ausschau nach den Heiligen. Auf die entscheidende Frage nach dem Sinn und dem Ziel des Lebens sind sie die unverzichtbaren Leitbilder – heute wie in den Tagen des frühen Christentums. Zwar sind die Heiligen Menschen mit Schwächen und Fehlern wie wir, aber sie sind mit diesen Fehlern und mit den Härten und Widersprüchen des Lebens fertig geworden. Das ist das Beispielhafte an den Heiligen, das den heutigen Menschen überzeugt. Sie wollen mehr erfahren über die Kraft, aus der heraus sie ihr kompromissloses Leben lebten und darüber hinaus Taten vollbrachten, die dem vielgepriesenen gesunden Menschenverstand unerklärlich erscheinen. Aus dieser Kraft leisteten sie Unvorstellbares. Sie wurden zu Bewegern der Welt. Wer glaubt, die Heiligen in eine „überholte“ Vergangenheit verweisen zu können, der wird eine solche Auffassung revidieren müssen, wenn er sich näher mit ihnen befasst hat.
2. Ich darf leben aus der Kraft des Übernatürlichen, Heiligen, Göttlichen… Jede Zeit hat ihre eigene Grundgestalt des Heiligen. Immer aber sind es Menschen, die aus einem tiefen Sendungsbewusstsein den Kampf mit den negativen Tendenzen ihrer Zeit aufnehmen. Als solche haben sie oft genug den Verlauf der Geschichte maßgeblich beeinflusst. Der entscheidende Aspekt jedoch, der die Heiligen als außerordentliche Menschen kennzeichnet: Sie leben aus dem Übernatürlichen – also aus einem Zweiten, die diesseitige Wirklichkeit unendlich übersteigenden Leben! Hier liegt die Ursache, warum sich das Leben des Heiligen weder durch die wissenschaftliche Geschichtsschreibung noch durch die Methoden der modernen Psychologie je endgültig fassen lässt. Es bleibt unbegreiflich für den Verstand, unfasslich für alle menschliche Erfahrung. Dennoch ist gerade diese Seite ihres Wesens und Lebens das, was den außergewöhnlichen Begriff des „Heiligseins“, des vollkommenen „Heil-Seins“ ausmacht.
3. In mir lebt Jesus Christus, sein Geist, sein Wort, seine Liebe,… Christlicher Glaube hat seinen Angelpunkt im Geheimnis der Fleischwerdung Gottes: In Jesus ist der Unsichtbare sichtbar, der Unfassbare betastbar, der Ferne nahe, der Ewige zeitlich, der Unendliche an
endlichem Ort gegenwärtig geworden. Und dieser Fleischgewordene hat uns zugesichert, dass er uns nicht verlassen, sondern bei uns bleiben werde bis zum Ende der Welt. Er legt seinen Geist in seine Schüler, er lebt fort in der Gemeinschaft der Gläubigen und wird durch sie weiter sichtbar und hörbar. All zu oft haben wir freilich den Eindruck, davon sei in unserer unheilvollen Welt wahrlich nichts zu spüren. An den Gestalten der Heiligen leuchtet auf, dass Gott doch in der Zeit wirksam, dass Christus weiter in der Welt gegenwärtig ist, dass man etwas von ihm sehen und erfahren kann an anderen Menschen. An den Heiligen wird deutlich: Bleibender in der Geschichte als die größten Leistungen und Begabungen von Menschen ist, was Menschen Gott haben an sich wirken lassen. Wir sind also eingeladen, das Wirken Gottes zu erkennen an einem bestimmten Ort, zu einer bestimmten Zeit der Erde, an einem Menschen in einer vielleicht ganz armseligen Gestalt. Es genügt, wenn wir von Zeit zu Zeit an einem Ort der Heiligen innehalten oder vor einem ihrer Bilder still werden, dann spüren wir in unserem Inneren: So oder ähnlich kann Gott auch in meinem Leben wirken, selbst in den kleinsten Dingen meines Alltags.
4. Ich darf etwas erspüren an Frieden, Hoffnung, Gerechtigkeit,… Menschen, die wir als Heilige verehren, kennen Momente der Dunkelheit und der Gottesfinsternis. Sie haben sie durchlitten. Sie haben sie mit Gottes Hilfe bestanden. Das glauben wir von ihnen. Und dass sich die Vertröstungen und Verheißungen Jesu an ihnen erfüllt haben. Mitunter lässt uns der Blick auf sie und ihr Leben, auf ihr Ringen mit sich selbst und auch mit Gott, etwas versöhnlicher auf Jesu Worte schauen. Vielleicht erlaubt er es uns sogar, dass wir uns an diesen Zusagen festhalten. Dass wir fest daran glauben, dass tatsächlich alles gut werden wird für uns, wie für die Armen und die Trauernden, die Gewaltlosen und die Hungernden, die Barmherzigen und die Friedensstifter, die Verfolgten und die Beschimpften und die Verleumdeten.
Das erbitte ich vom dreifaltigen Gott und wünsche ich Ihnen aus „ganzem Herzen“
Pfarrer Karl Burgstaller